Wie BIM ESG-Kriterien im Wohnungsbau messbar macht – Chancen für Projektentwickler
- Momo Marfo
- 11. Sept.
- 4 Min. Lesezeit
ESG: Vom Trend zur Verpflichtung
Nachhaltigkeit im Bauwesen ist längst kein freiwilliges „Add-on“ mehr, sondern regulatorische Pflicht und ökonomische Notwendigkeit. Gebäude sind in der Europäischen Union für rund 40 % des Energieverbrauchs und 36 % der CO₂-Emissionen verantwortlich (Europäische Kommission 2024). Damit rückt die Immobilienwirtschaft ins Zentrum europäischer Klimapolitik.
Die drei ESG-Dimensionen sind:
Environment (E): Klima- und Umweltschutz, Energieeffizienz, Ressourcenschonung.
Social (S): Nutzerkomfort, Barrierefreiheit, Aufenthaltsqualität, soziale Integration.
Governance (G): Transparente Unternehmensführung, Compliance, verantwortungsbewusste Strukturen.
Instrumente wie die EU-Taxonomie-Verordnung, die Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) sowie Förderstandards wie das Qualitätssiegel Nachhaltiges Bauen (QNG) definieren verbindliche Kriterien, die von Projektentwicklern nachweisbar einzuhalten sind. Zertifizierungssysteme wie DGNB, BREEAM oder WELL Building Standard helfen dabei, ESG-Ziele zu konkretisieren und vergleichbar zu machen.
Für Entwickler bedeutet dies: Wer ESG-Nachweise nicht erbringt, verliert Zugang zu Finanzierungen und Förderungen. Umgekehrt entstehen erhebliche Chancen: ESG-konforme Gebäude erzielen nachweislich höhere Marktwerte und bessere Finanzierungsbedingungen, wie sowohl McKinsey als auch PWC festgestellt haben (Vgl. PwC and the Urban Land Area Institute, 2024; Doherty et al., 2023).
Warum klassische Planung an Grenzen stößt
Traditionell werden Nachhaltigkeitsaspekte in Bauprojekten erst spät integriert. Das führt zu gravierenden Nachteilen:
Fehleranfälligkeit: Qualitätssicherung erfolgt oft zu spät oder unzureichend.
Kostensteigerungen: Nachträgliche Anpassungen verursachen Mehraufwand.
Unflexibilität: Variantenprüfung oder Lebenszyklusbewertungen sind im analogen Prozess schwer umsetzbar.
Mangelnde Nachweisbarkeit: Banken, Investoren und Behörden fordern belastbare Daten. Klassische Planunterlagen und Dokumente geben den realen Zustand eines fertiggestellten Gebäudes oft nicht widerspruchsfrei und präzise wieder - vom Modell abgeleitete Daten sind weit verlässlicher.
Das Ergebnis: ESG-Ziele bleiben oft abstrakt, statt konkret nachweisbar.
BIM als Schlüssel: Daten statt Bauchgefühl
Building Information Modeling (BIM) ermöglicht die Abbildung eines Projekts in einem digitalen, intelligenten Modell, das alle relevanten Daten des Gebäudes über seinen gesamten Lebenszyklus hinweg enthält – von Materialwahl und Bauphase über Betrieb bis hin zu Rückbau und Wiederverwertung. Mit einer konsequent verfolgten digitalen und datenbasierten Umsetzung von Planung und Bau kann ein Asset von Materialien und Verbrauchsdaten bis hin zu den Betriebsprozessen auf die Nachhaltigkeitsaspekte der ESG zugeschnitten[DE1] werden.
Für die Bewertung nach ESG bietet BIM entscheidende Vorteile:
Messbarkeit: CO₂-Bilanzen, Energiebedarfe und Recyclingquoten lassen sich aus dem Modell direkt ableiten.
Vergleichbarkeit: Unterschiedliche Planungsvarianten können systematisch anhand ESG-Kriterien bewertet werden.
Nachweisbarkeit: Zertifizierungssysteme (DGNB, QNG, WELL etc.) lassen sich mit präzisen Kennzahlen aus dem Modell füttern.
Transparenz: Investoren, Nutzer und Behörden erhalten nachvollziehbare, prüfbare Daten.
Synergien: Durch die Nutzung von BIM-Standards kann eine Analyse des gesamten Immobilienbestandes eines Akteurs über den gesamten Asset-Bestand erfolgen.
BIM verwandelt Nachhaltigkeit damit von einer Vision in einen überprüfbaren Standard.
Praxisbeispiele: Wie BIM ESG konkret macht
a) CO₂-Emissionen berechnen
Über Environmental Product Declarations (EPDs) und die Verknüpfung mit online-Datenbanken wie der Ökobaudat können Ökobilanzdaten der eingesetzten Baustoffe direkt im Modell hinterlegt werden. Bereits in der Planungsphase lässt sich so zu jedem Zeitpunkt die aktuelle CO₂-Bilanz des gesamten Gebäudes ermitteln.
b) Energie simulieren
Digitale Gebäudemodelle bieten eine zuverlässige Grundlage für Gebäudeenergiesimulationen, in denen Parameter wie Dämmung, Fensteröffnungen, Gebäudelage oder technische Anlagen angepasst und die damit erzielten Auswirkungen unmittelbar bewertet werden können - und dies auch im Bestand (Vgl. Hartmann & Verghese, 2023). Auch die Verbindung von BIM und CAFM bietet große Potentiale für Energieeinsparung über smarte Steuerung und präzise Dimensionierung der Anlagen (Vgl. May et al., 2023)
c) Kreislaufwirtschaft dokumentieren
BIM ermöglicht eine material- und produktscharfe Erfassung und Kennzeichnung für Wiederverwendung oder Recycling. Gebäude werden so zu „Rohstoffbanken“, ein zentrales Element der Circular Economy, die auch von der EU-Bauprodukteverordnung gefordert wird. Ein Gebäudeinformationsmodell stellt auch im Hinblick auf den digitalen Produktpass und den Gebäuderessourcenpass eine zukunftsfähige Datengrundlage dar.
d) Soziale Faktoren sichtbar machen
Barrierefreiheit, Tageslichtverhältnisse, Aufenthaltsqualitäten und Akustik lassen sich in BIM-Modellen simulieren und Kriterien von Zertifizierungssystemen wie dem WELL Building Standard prüfen.
Chancen für Projektentwickler
Die Verbindung von ESG und BIM eröffnet Projektentwicklern signifikante Wettbewerbsvorteile:
Planungssicherheit: Laufende ESG-Prüfungen stellen sicher, dass gesetzliche Vorgaben eingehalten werden.
Kosteneffizienz: Varianten können früh bewertet werden, Anpassungen sparen Zeit und Geld.
Finanzierungszugang: Banken und Investoren verlangen ESG-konforme Nachweise – BIM liefert die belastbare Datengrundlage.
Wertsteigerung: ESG-Konformität und Zertifizierung (z.B. nach BREEAM und LEED) steigert den Wert einer Immobilie (Vgl. Blake, K. 2023).
BIM die verlässliche Übersetzung von ESG-Vorgaben in die Praxis und damit konkrete Vorteile für zukunftsorientierte Entwickler.
CORE Digital Engineering: Unser Beitrag
Als Generalplaner und Consultant für die digitale Wertschöpfungskette Bau unterstützt CORE Digital Engineering Projektentwickler und Investoren dabei, ESG-Ziele von Beginn an im digitalen Modell zu verankern.
Unser Ansatz umfasst:
Modellbasierte Planung und BIM-Koordination,
Integration von Ökobilanzdaten und Zertifizierungskriterien,
Gebäudedaten-Management über den gesamten Lebenszyklus,
praxisnahe Beratung an der Schnittstelle zwischen Architektur, Digitalisierung und Nachhaltigkeit.
So schaffen wir die Basis, dass nachhaltige Quartiere nicht nur geplant, sondern auch nachweislich umgesetzt und betrieben werden können. Wir unterstützen unsere Partner bei allen Schritten in Bezug auf datenbasierte, nachhaltige und automatisierte Prozesse – von der Zieldefinition über die Anpassung interner und externer Prozesse und Schnittstellen bis hin zur qualitätsgesicherten Umsetzung von Projekten in Planung, Bau und Betrieb.
Fazit: Von der Vision zur Realität
Die Bau- und Immobilienwirtschaft steht vor einem Paradigmenwechsel: Die Einhaltung der ESG-Kriterien ist nicht länger optional, sondern entscheidend für Markt- und Finanzierungserfolg. Während klassische Planungsansätze diese steigenden Anforderungen nicht mehr erfüllen können, liefert BIM die nötige Daten- und Prozessgrundlage, um Nachhaltigkeit konkret messbar zu machen und konkret in die Praxis umzusetzen.
Wer als Projektentwickler frühzeitig auf BIM setzt und damit die Grundlage für eine datenbasierte (Nachhaltigkeits-)Strategie schafft, sichert sich nicht nur regulatorische Konformität, sondern auch echte Wettbewerbsvorteile in einem zunehmend anspruchsvolleren Markt. Neue Anforderungen, Herausforderungen und sich ändernde Rahmenbedingungen erzeugen höhere Komplexität für Akteure der Baubranche – es gilt, diese Komplexität beherrschbar zu machen.
Nachhaltigkeit lässt sich planen – und mit BIM lässt sie sich messen.
Quellen:
Blake, Kat (2023, 17. Januar). Environmentally sustainable real estate attracts higher prices. https://www.jll.com/en-uk/newsroom/environmentally-sustainable-real-estate-attracts-higher-prices (Abgerufen am 09.09.25)
Europäische Kommission (2024, 12. März). Gebäudeenergieeffizienz: Parlament nimmt Pläne für CO2-ärmere Gebäude an [Pressemitteilung]. https://www.europarl.europa.eu/news/de/press-room/20240308IPR19003/gebaudeenergieeffizienz-parlament-nimmt-plane-fur-co2-armere-gebaude-an (Abgerufen am 09.09.25)
Doherty, R., Kampel, C., Koivuniemi, A., Perez, L., Rehm, W. (2023, 09. August) The triple play: Growth, profit, and sustainability. https://www.mckinsey.com/capabilities/strategy-and-corporate-finance/our-insights/the-triple-play-growth-profit-and-sustainability (Abgerufen am 09.09.25)
PwC and the Urban Land Institute. Emerging Trends in Real Estate® Europe 2025 (2024, November). London: PwC and the Urban Land Institute, 2024
May, M., Bock, N., Härtig, M., Hohmann, J., Krämer, M., Limberger, B., & Opić, M. (2023). BIM in FM Applications. In BIM in Real Estate Operations: Application, Implementation, Digitalization Trends and Case Studies (pp. 177-198). Wiesbaden: Springer Fachmedien Wiesbaden.
[DE1]meh

