12. November 2020. „Ups, das kostet ja 157 Millionen mehr“ titelt die ZEIT Hamburg in ihrem Newsletter Elbvertiefung. Sie haben es sicher gelesen. „Schon wieder“ werden Sie denken. Hat man denn aus den Problemen bei unserem neuen Wahrzeichen in der HafenCity nichts gelernt? Die Gründe werden, wie das bei solchen Gebäuden immer ist, sehr vielschichtig sein. Aber eines ist sicher: Es ist nicht naturgegeben, dass Projekte in dieser Größenordnung scheitern müssen! Es geht auch anders.
Fünf namhafte Planungsbüros hat man beauftragt. „Fachleute mit ausgezeichneten Referenzen“, wie es heißt, sind mit der Planung und, als es zu Problemen kam, mit der Umplanung beauftragt worden. Der Hamburger Finanzsenator Andreas Dressel wirft den Planern vor, „die Komplexität der Aufgabe in vorwerfbarer Weise unterschätzt“ zu haben. Aha, da haben wir sie wieder: Komplexität! Aber eigentlich ist es bei einer solchen Bauaufgabe völlig klar, dass die eigentliche Herausforderung in der Komplexität liegt. An der Gestaltung des Gebäudes scheint es ja nicht gelegen zu haben. Es muss also um technische Aspekte gegangen sein. War das, was von der technischen Seite gebaut werden sollte, nicht von vornherein klar und eindeutig formuliert? Hatte man die richtigen Informationen und hat man sie professionell gesteuert, oder, wie man so schön neudeutsch sagt, gemanagt? Und wie und auf welcher Grundlage haben denn alle Beteiligten zusammengearbeitet?
„Wir brauchen eine Kultur des Vertrauens beim Bauen zwischen Auftraggebern, Planern, Auftragnehmern, den beteiligten Gewerken und der Öffentlichkeit. Nur so können wir angesichts der zunehmenden Komplexität beim Planen, bei Normen und in der Bauwirtschaft noch gut gestaltete und hochwertige Gebäude und Freiräume realisieren“, steht im Pressebericht zum Ettersburger Gespräch 2015 der Bundesstiftung Baukultur. Heißt: Baukultur braucht Vertrauen und die Fähigkeit, Komplexität in den Griff zu kriegen. Projekte in der Größenordnung des Hauses der Erde scheitern leider daran, dass wir weiterhin versuchen, Komplexität mit den herkömmlichen Herangehensweisen und Planungsprozessen zu bewältigen und mit der üblichen Art der Zusammenarbeit. Dass das nicht mehr funktioniert, wissen wir, mit Verlaub gesagt, schon lange.
Wir haben es hier mit einem Großprojekt zu tun. Großprojekte, so steht es im Endbericht der Reformkommission Bau von Großprojekten, zeichnen sich z.B. dadurch aus „eine lange Realisierungsdauer, eine hohe Komplexität der Baumaßnahmen mit einer Vielzahl von Einzelvorgängen und Beteiligten und eine hohe politische bzw. gesellschaftliche Bedeutung des Projekts“ zu haben (Endbericht Seite 16). Alle diese Aspekte sind beim Haus der Erde vorhanden. Die Reformkommission empfiehlt in ihrem Aktionsplan für Großprojekte 10 Themenfelder, die dazu beitragen sollen, dass Großprojekte „künftig durchgängig in einer Weise geplant, organisiert und realisiert werden, die vorbildhaft und international richtungsweisend ist“. Als Punkt 10 wird die Nutzung einer digitalen Methode empfohlen: Building Information Modeling (BIM).
Dieser Endbericht war 2015 der Startschuss für die intensive Beschäftigung mit BIM in Deutschland, die über den „Stufenplan Digitales Planen und Bauen“ des Bundesverkehrsministerium auch dazu geführt hat, dass Hamburg in Deutschland mit führend bei der Einführung und Nutzung dieser Methode ist und auch über die erforderlichen Spezialisten verfügt. BIM besteht eben nicht nur darin, eine Planung in 3D durchzuführen. BIM ist ein geplantes, strukturiertes und gesteuertes Informationsmanagement. Etwas, das mit Spezialisten aufgesetzt und auch von ihnen über die gesamt Vorbereitungs-, Planungs- und Bauzeit begleitet werden muss, bis in die Übergabe des Gebäudes an den Eigentümer. Ganz am Anfang steht dabei die detaillierte Klärung der Informationsbedarfe des Auftraggebers. Es muss schon vor der Beauftragung von Planern geklärt sein, was das Gebäude leisten soll und was dafür an Informationen bereitgestellt und später im Projekt erstellt und ausgetauscht werden müssen. Nur so wird jede beteiligte Seite umfassend wissen, welche Qualität geliefert werden soll, nur so können die Planer kooperativ und vertrauensvoll zusammenarbeiten, nur so werden alle Beteiligten in der Lage sein, fortlaufend zu prüfen, ob die Anforderungen korrekt umgesetzt werden. Auf der Grundlage konsistenter Daten und Informationen wird man auch rechtzeitig eingreifen können, wenn einzelne Themen die gewünschte Qualität nicht erfüllen. Das alles ist in Normen bereits klar festgehalten. Die DIN EN ISO 19650 legt die Grundlagen für ein effizientes Informationsmanagement fest. In der Einleitung steht übrigens: „Echte Zusammenarbeit erfordert gegenseitiges Verständnis und Vertrauen und ein tieferes Maß an standardisierten Prozessen, als es üblicherweise der Fall ist, wenn die Informationen zeitnah und konsistent produziert und zur Verfügung gestellt werden sollen.“ (DIN EN ISO 19650-1:2019-08, Seite 7) Da haben wir es wieder: Verständnis und Vertrauen.
Wann werden wir endlich aus solchen Erfahrungen die Lehren ziehen und die Methoden nutzen, die uns in die Lage versetzen, solche Projektpleiten, wie beim „Haus der Erde“ künftig zu vermeiden. BIM ist sicherlich nicht die Allheilmethode, aber wegzuschauen und zu glauben, dass wir weiterhin mit herkömmlichen Herangehensweisen Projekte dieser Komplexität bewältigen werden, darf nicht mehr passieren. Die Folgen tagen wir alle zusammen über unsere Steuergelder und diese können wir, gerade in dieser schwierigen Zeit der Pandemie, wahrlich besser nutzen.
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